Holzsteg durch die Dünen am Meer

Operationsplanung des Hallux valgus

Die erfolgreiche operative Versorgung des Hallux valgus setzt eine gründliche Analyse der bestehenden Fehlstellung voraus. Durch die körperliche Untersuchung erhebt der Arzt Informationen zur Beweglichkeit der einzelnen Gelenke am Fuß. Dabei gilt es auszuschließen, dass benachbarte Gelenke – beispielsweise infolge von Verschleißprozessen – mit zum beklagten Beschwerdebild beitragen. Schwielen weisen darauf hin, wo eine übermäßige Druckbelastung besteht, denn nur dort bilden sich diese oft schmerzhaften Hautverdickungen. Über die körperliche Untersuchung des Fußes lassen sich abnorme Bewegungsmuster von Gelenken entdecken. Dazu gehört auch, dass das Gangbild des Patienten angeschaut wird. Eine gravierende Erkrankung des Knie- oder Hüftgelenkes sollte keinesfalls übersehen werden. Der Operateur sollte sich einen Eindruck über die allgemeine Festigkeit der Bänder des zu operierenden Patienten machen, denn nicht selten findet sich vor allem bei dem mit dem Ballenzeh häufig betroffenen weiblichen Geschlecht eine sogenannte Hypermobilität der Gelenke des Körpers, die durch von Geburt an zu weiche Bänder bedingt ist.

Strecken Sie Ihren Arm nach vorne aus und schauen Sie, ob der Ellenbogen sich über 180 Grad hinaus überstrecken lässt. Oder berühren Sie mit der einen Hand die Fingerkuppen der anderen Hand und versuchen Sie, die Finger aus der gestreckten Position noch weiter in die Überstreckung zu drücken. Gelingt es Ihnen? Bei manchen lassen sich die Finger der flach auf die Handfläche aufgelegten Hand noch etwa 90 Grad über die Horizontale hinaus überstrecken. Hier liegt eindeutig eine Hypermobilität vor. Sie kann zu dem meist harmlosen Knacken an Gelenken oder an der Wirbelsäule führen, aber auch durch nicht ausreichende Stabilisierung von Gelenken langfristig Probleme verursachen. Das Vorhandensein einer Hypermobilität hat großen Einfluss auf die Wahl des geeigneten Operationsverfahrens zur Korrektur des Ballenzehs.

Auf die körperliche Untersuchung folgt die Röntgenuntersuchung des betroffenen Fußes. Auf dem Röntgenbild kann der Operateur vermessen, wie stark die Achsstellung des Großzehs von der Achse des ersten Mittelfußknochens abweicht. Dabei gilt ein Hallux valgus-Winkel von über 20 Grad (siehe Seite 17) als nicht mehr normgerecht (Abb. 5a). ­Zusätzlich wird gemessen, wie stark die beiden ersten Mittelfußknochen voneinander abweichen oder ob der ganze Vorfuß nach innen abweicht (Abb. 5b). Es kann auch analysiert werden, wo die Fehlstellung genau sitzt, denn manchmal ist das Hauptproblem nicht am Großzehengrundgelenk, also am Ballen, lokalisiert, sondern sitzt am Grundglied des Großzehs. Dabei verlaufen die beiden Gelenkachsen des Grundglieds aufeinander zu und verursachen dadurch die Fehlstellung des Zehs (Abb. 5c). Die Fehlstellung befindet sich dann im Bereich der Zehenglieder (Phalangen). Der Spezialbegriff lautet daher Hallux valgus interphalangeus. Nicht selten tragen beide Komponenten zusammen zur Schiefstellung des Großzehs bei (Abb. 6). Bei der Planung eines Eingriffs muss die gesamte Fußform, insbesondere auch die Stellung des Rückfußes, berücksichtigt werden. Überbeweglichkeit von Gelenken, aber auch ein möglicher Gelenkverschleiß spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Schließlich muss der allgemeine Gesundheitszustand in die Planung einfließen.

Operationsvorbereitung

Ein Besuch beim Hausarzt klärt vorab gegebenenfalls auffällige Blutwerte ab. Hier können bei Patienten ab fünfzig Jahren sinnvollerweise ein EKG und eine Röntgenaufnahme der Lunge eingeleitet werden. Die Ergebnisse benötigt dann der Anästhesist, der in den Tagen unmittelbar vor dem Eingriff aufgesucht wird. Wenn Sie herzkrank sind, ist es sinnvoll, im Vorfeld der Operation ­einen Kardiologen zu konsultieren und ihn zu fragen, ob er Einwände gegen den Eingriff habe oder ob er besondere Empfehlungen bezüglich der Medikamenteneinnahme aussprechen möchte. Auch wenn Sie Durchblutungsstörungen haben, sollte Ihr Operateur darüber informiert werden. Hier sind eventuell zusätzliche Untersuchungen bei einem Gefäßspezialisten notwendig, um Sie auf die Operation vorzubereiten. Patienten, die blutverdünnende ­Medikamente wie ASS, Marcumar oder ­Eliqius und Ähnliche einnehmen, sowie Patienten, die Tabletten gegen Diabetes regelmäßig benö­tigen, sollten den Operateur und den Hausarzt darauf frühzeitig ansprechen. Eine Umstellung der Medikamenteneinnahme ist bei den genannten Mitteln meistens erforderlich.

Allgemeine Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Herzerkrankungen müssen unbedingt Ihrem Arzt mitgeteilt werden. Für die Wundheilung ausgesprochen relevant sind beispielsweise auch Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Durchblutungsstörungen der Beine. So sollten ältere Patienten mit Risikofaktoren vor einem Eingriff unbedingt auch eine internistische Untersuchung durchführen lassen. Bestimmte Zuckermedikamente müssen, wie auch manche Blutverdünner, vor Eingriffen pausiert werden. Das gilt auch für einige Rheumamedikamente.

Fußeingriffe bedürfen einer hinreichenden Betäubung. Diese kann als Allgemeinnarkose oder auch als Spinalanästhesie mit Betäubung eines oder beider Beine im Bereich der Wirbelsäule gesetzt werden. Vor- und Nachteile der einzelnen Narkoseformen werden mit dem Narkosearzt vor dem Eingriff im Einzelnen besprochen. Dabei gilt der Grundsatz, dass Patienten in einem schlechteren Allgemeinzustand mit einer Spinalanästhesie schonender versorgt werden können. Die Verfahren können jeweils mit regionalen Kathetern oder mit lokalen Infiltrationen betäubender Medikamente im Bereich des Fußes, dem sogenannten Fußblock, kombiniert werden.

Operationsverfahren

»Meinen Ballenzeh habe ich schon, seit ich 14 Jahre alt bin. Damals zeigte sich bereits die Fehlstellung recht deutlich. Das konnte man sehr gut auch beim Vergleich mit der anderen Seite sehen. In der Schulzeit habe ich weite Schuhe getragen und kam mit dem Problem an sich ganz gut zurecht. Na ja, beim Abiball mit den hohen Schuhen war es schon schmerzhaft ….

Seitdem ich die Banklehre mache, hat sich mein Problem deutlich verschärft. Ich muss beruflich bedingt ­schicke, also enge Schuhe tragen, und bei Veranstaltungen ­er­wartet man von mir auch einen hochhackigen Schuh. Die Tage danach sind eine Qual. Ich denke, ich sollte jetzt doch über eine Korrektur-OP nachdenken.«

Kati H., 20 J. ,
Bankangestellte

Es wurden über hundert operative Verfahren beschrieben, mit denen der Ballenzeh korrigiert werden kann. Es können hier nur einige der heute ­gängigen Korrekturprinzipien dargestellt werden.

Die meisten operativen Korrekturen des Ballenzehs werden am ersten Mittelfußknochen durchgeführt. Gelegentlich findet sich nur ein schmerzhaftes Überbein am oberen Ende des ersten Mittelfußknochens, seinem Köpfchen. Hier sitzt der sogenannte Großzehenballen. Wenn ­röntgenologisch keine Fehlstellung am Fuß­skelett sichtbar ist, kann eine alleinige Abtragung des Überbeins die Beschwerden beheben. Dabei wird auch der schmerzhaft entzündete Schleimbeutel mit entfernt. Milde und moderate Fehlstellungen werden meistens dadurch korrigiert, dass der Mittelfußknochen im Bereich seines Köpfchens durchtrennt wird und das Köpfchen dann nach außen, also in den Fuß hinein, verschoben wird. Die Verschiebung wird durch eine kleine Schraube, die von oben schräg in den Knochen ein­gebracht wird, gehalten. Stark verbreitet ist für diese Operationstechnik die sogenannte Chevron-Osteotomie, bei welcher der Mittelfußknochen ­V-förmig durchtrennt wird. Hierbei führt die Art der Schnittführung im Knochen ­eleganterweise zu einer guten Stabilität des verschobenen ­Knochenteils. (Abb. 7a bis d und Abb. 8a bis d)

Durch die Chevron-Operation lässt sich nicht nur eine Verschiebung des Mittelfußköpfchens zur Seite erreichen, sondern es lassen sich zusätzliche Korrekturen wie die Verkürzung oder Verlängerung des Knochens sowie die Rotation oder Versetzung des Köpfchens nach unten herbeiführen.

Die Korrekturprinzipien des Hallux valgus lassen sich gut anhand des schiefen Turms von Pisa demonstrieren (Abb. 9a bis l). Je stärker die Abweichung des ersten Mittelfußknochens von der Mittellinie ist, umso körper­näher, also näher an der Basis des Knochens, muss der korrigierende Knochenschnitt angelegt werden. Andernfalls reicht der Effekt der Operation nicht aus, um ein gutes Korrekturergebnis zu erzielen. Es kommen daher auch Operationstechniken zur Anwendung, bei denen der erste Mittelfußknochen nicht im Bereich seines Köpfchens, sondern im Schaftbereich korrigiert wird.

Ist eine stärkere Korrektur der Fehlstellung notwendig, kann der korrigierende Knochenschnitt auf Höhe der Basis des Mittelfußknochens angelegt werden. Bei dieser Operation wird ein Keil aus dem Knochen entnommen und der Knochen nach der Korrektur der Fehlstellung mittels einer Platte oder Schrauben fixiert (closed wedge). (Abb. 9j bis 9l)

Das größte Korrekturpotential hat die korrigierende Versteifung des Gelenkes zwischen dem ersten Mittelfußknochen und der Fußwurzel. Diese Technik wurde nach dem Erstbeschreiber Lapidus benannt. Sie hat in den letzten Jahren zunehmend Verbreitung gefunden, da sie fortgeschrittene Fehlstellungen zu korrigieren vermag. Sie kommt aber auch bei weniger ausgeprägten Stadien zur Anwendung, wenn zusätzlich eine Hypermobi­lität des Bandapparates vorliegt. Bei dieser ­Operation wird ein instabiles, aber ansonsten gesundes ­Gelenk versteift. Das klingt zuerst abschreckend, denkt man doch, dass alle Gelenke des Fußes von Bedeutung sind, damit der Fuß einwandfrei funktioniert. Tatsächlich haben Studien und die täg­liche Erfahrung aber gezeigt, dass die Beweglichkeit ebendieses Gelenkes vom Patienten nicht vermisst wird. Sonstige negative Auswirkungen auch auf die benachbarten Gelenke des Fußes bleiben bei Langzeitbeobachtungen aus. Knochenplatten, die von unterwärts (plantar = sohlenwärts) an das Gelenk geschraubt werden, um es zu fixieren, sind derart stabil, dass sie eine sofortige Belastbarkeit ­unmittelbar nach der Operation ermöglichen (Abb. 10a und b, 11a und b). Der operierte Fuß wird für sechs Wochen nach der Operation in einem Walker (Seite 39) ruhiggestellt, um die angestrebte knöcherne Verbindung der beiden Knochen zu gewährleisten. Die Vollbelastung ist aber bereits nach ­wenigen ­Tagen erlaubt.

Besteht eine isolierte Fehlstellung im Großzehengrundglied (Hallux valgus interphalangeus), kann die Korrektur durch eine Keilentnahme erfolgen, ohne dass der Knochen komplett durchtrennt wird. Da Knochengewebe eine gewisse Elastizität aufweist, kann der nicht durchgesägte Anteil des Knochens gebogen werden, bis der durch die Keilentnahme entstandene Zwischenraum geschlossen ist. Es genügt eine Fixierung mittels einer Schraube oder gar nur mit kräftigen Nähten, um eine ausreichende Stabilität für die Ausheilung des Knochenschnittes zu erreichen. (Abb. 12 und 13).

Alle beschriebenen Operationsverfahren am ersten ­Mittelfußknochen können mit einer korrigierenden Keilentnahme am Grundglied des Großzehs kombiniert werden, wenn zusätzlich ein Hallux valgus interphalangeus vorliegt (Abb. 14 und 15).